Können wir vielleicht noch ne Stunde früher starten? – Mit dieser Frage überraschten uns die Ultras Marion und Jochen Konradt. Wir bauten unsere Zeitmessung ein wenig früher auf und so konnten sie bereits um 08.30 Uhr auf die erste von drei Runden gehen.
Nach dem Lauf wollten wir wissen, was hinter der Laufleidenschaft der Beiden steckt und baten sie um einen Bericht: Wie kam es zum Start beim ersten KöFo-Ultra und was haben die Beiden sich vorher bereits erlaufen? Lest selbst und gewinnt interessante Einblicke in die sportliche Wochenend-Gestaltung von Marion und Jochen Konradt aus Siegen. Ultras sind was ganz Besonderes. Soviel ist klar.
Wir möchten uns an dieser Stelle kurz vorstellen. Wir sind Jochen und Marion Konradt aus Siegen und sind ein „altes“ laufbegeistertes Ehepaar! Aus diesem Grund auch unser Name: Alte Liebe!
Wie kommt man dazu, so oft so lange Distanzen zu bewältigen und sich diesen Strapazen immer wieder neu auszusetzen? Die Vorgeschichte ist lang und heute ist es so, dass an den Wochenenden eine körperliche Grenzerfahrung den passenden Ausgleich zu unserem Alltag bietet. Nach nur wenigen Kilometern fallen meist alle Belastungen von uns ab! Da gilt es, sich zu konzentrieren und das Ziel im Auge zu behalten. Nicht der Kampf gegen die Uhr steht bei uns an erster Stelle. Wir wollen genießen! Das gemeinsame Bewältigen von Herausforderungen, die Bewegung an der frischen Luft, der Duft des Waldes und der Plausch mit Gleichgesinnten steht für uns im Vordergrund.
Wir verdienen damit nicht unser Geld. - Inzwischen haben wir mehr als 100 Ultramarathons in den Beinen. Ich, Marion, werde am 20.11.2021 meinen 250. Marathon/Ultramarathon laufen. Wir laufen am Liebsten gemeinsam. So lange unsere Gesundheit es mitmacht und wir im angegebenen Zeitlimit der Veranstalter bleiben können, so lange werden wir Läufe absolvieren. Wir sind selbst gespannt, was uns noch so alles einfällt! Für Überraschungen sind wir immer zu haben!
Wie kamen wir auf den Konigsforst-Ultra? - Wir stöbern seit vielen Jahren auf der Homepage der DUV (Deutsche Ultramarathonvereinigung) nach passenden Laufveranstaltungen. So wurden wir in diesem Herbst auf den Königsforst-Marathon aufmerksam. In diesem Jahr neu auf der Liste, weil erstmals mit Ultraangebot. Das ist etwas für uns! Der Lauf liegt vor der Haustür. Kurzerhand haben wir uns angemeldet.
Eine Woche zuvor: Wir laufen den Jubiläumslauf in Remscheid: 5 Runden á 21,1 km. Wir kennen die Laufszene und natürlich gibt es immer erst eine herzliche Begrüßung. Man kennt sich! Wir laufen also in gemütlicher Runde am Samstagabend los und philosophieren über unsere nächsten Pläne. Da hören wir auch schon von allen Seiten: „Na, Ihr seid aber mutig! Habt Ihr das Zeitfenster im Königsforst gesehen? 7 Stunden für 63,3 km, ist doch recht sportlich.“
Wenn man, wie wir, jede Woche einen langen Lauf macht, also Marathon oder mehr, möchte man nicht hetzen, sondern das Lauferlebnis genießen. Jetzt waren wir aber angemeldet und haben uns kurzerhand entschlossen, den Veranstalter anzufragen, ob wir einen Frühstart machen können, damit wir im Zeitlimit bleiben. Das war möglich! Und in den Gesprächen kam der Gedanke auf, hier ein wenig von unseren Lauferlebnissen zu berichten.
Anlässlich unserer Hochzeit in den 1980er Jahren reifte auch der Plan einmal gemeinsam einen Marathon zu laufen. Es hat aber sehr lange gedauert, bis wir dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt haben. Zuerst begann Jochen im Jahr 1999 wieder mit dem Laufen. Das beinhaltete Distanzen von 10 bis 21km. Für unsere heutigen Verhältnisse waren das Kurzstrecken. Als unser Sohn 2009 das Haus verließ waren wir dann zu zweit unterwegs. Jochen dachte allerdings zunächst gar nicht daran, Rücksicht zu nehmen und lief mir in seiner gewohnten Art davon. Ich hechelte mit trockner Kehle hinterher.
Also lief ich erstmal meine Runden allein und siehe da: Es macht mir viel Spaß in meinem eigenen Tempo durch die Siegerländer Berge und Wälder zu laufen. Die Umfänge wuchsen und es wurde auch immer weitläufiger.
Da fiel mir ein: Wollten wir nicht mal …. ??? - So melde ich uns kurzerhand zum Köln Marathon 2009 im September an! Wir übertrieben es ein wenig mit dem Training, konnten tatsächlich finishen und waren lange nicht die Letzten. Mit unseren 4:12:13 Stunden landeten wir im gesunden Mittelfeld und waren sehr zufrieden.
2010 liefen wir im Frühling beim Mittelrheinmarathon in das nächtliche Deutsche Eck in Koblenz ein und im Herbst den Gardasee Marathon (Italien). Nach unserem vierten Marathon im Frühling 2011 im Spreewald erkranke ich ernsthaft und die Ärzte können nicht sagen, ob ich diese Erkrankung überstehe.
Und Laufen, das geht erst recht nie mehr! So viel stand zum damaligen Zeitpunkt anscheinend fest. Ich war sehr enttäuscht, dass ich noch nicht den Two-Ocean-Marathon in Kapstadt/Südafrika gelaufen war. Ein Lebenstraum - aufgeschoben, und nun ? - Es ist ein Ultramarathon von 56 km Länge. Sie haben dort ein straffes Zeitfenster und das wird dort mehr als ernst genommen. Genau nach der vorgegebenen Zeit, wird das Ziel verbarrikadiert und niemand kann mehr finishen. Aber jetzt scheint der Traum für mich schon ganz aus.
Doch es kam ganz anders. Entgegen der Aussage der Ärzte genese ich doch! - Langsam wage ich wieder erste kurze Läufe zu absolvieren. Zunächst recht verhalten und zaghaft. Aber dann werde ich mutiger: Ich nehme auch wieder längere Strecken in Angriff. 2013 starten wir beim Marathon in Bonn. Es funktioniert tatsächlich. Und die Zeit ist auch ok.
Also hieß das nächste Ziel nun endlich: Südafrika! Hierzu muss man sich qualifizieren. Wir suchen uns dafür den Mallorca Marathon im Herbst 2013 aus und geben dann diese Zeit in Kapstadt an. Der Two-Ocean-Marathon findet immer am Ostersamstag statt. Im Winter 2013/14 haben wir sehr gut und viel trainiert. Wir laufen u.a. fünf Marathons als Trainingseinheit.
Darunter ist auch der Königsforst-Marathon 2014! Hier lernen wir einige Läufer kennen, denen wir in den nächsten Wochen immer wieder begegnen. Man grüßt sich, man schwätzt miteinander ….
Dann ist es soweit. Der Two-Oceans-Lauf in Kapstadt: Ein ganz besonderes Lauferlebnis. Es hat einfach alles gestimmt. Wir stehen in einem Riesenmeer von Läufern. Vor dem Start in aller Frühe wird die Nationalhymne gesungen. Den südafrikanischen Läufern fließen vor Rührung die Tränen über das Gesicht. Und wir mittendrin. Das war einfach Gänsehautfeeling! Dann endlich gehen wir auf die Strecke und was für eine beeindruckende Strecke das ist.
Schon nach den ersten Kilometern merke ich: Das ist heute ein guter Lauftag. Wir passieren den Chapman´s Peak. Eine 9 km lange malerische Küstenstraße zwischen Hout Bay und Noordhoek. Fantastische Ausblicke über Traumstrände, wie man sie sonst nur aus der Werbung kennt. Hier erleben wir es live!
Der ganze Lauf ist Gänsehaut pur! Es war wunderschön. Wir kommen an. Wir haben es geschafft. Im Zeitlimit. Unser erster Ultramarathon. Dabei sollte es nicht bleiben. Ein erhabenes Gefühl und wir sind einfach nur glücklich! Kaum zu Hause angekommen suchen wir uns neue Ziele. Inzwischen kennen wir uns schon aus! Wir werden Marathonsammler! Landauf, landab in Deutschland und ganz Europa sind wir unterwegs. Und die Strecken werden immer länger. Wir wussten gar nicht, dass es für den Ultramarathon diese tolle Szene gibt. Jetzt sind wir mittendrin und kennen selbst viele Veranstalter. Wir haben sehr gute Kontakte und sind super vernetzt.
Als besonders schöner Marathon steht der Doppelmarathon von Gondo (Schweiz) mit insgesamt 84,4 km und 4.400 Höhenmetern als Favorit auf unserer Liste. Dieses Event in grandioser landschaftlicher Umgebung findet seit 2002 immer am ersten Augustwochenende statt und erinnert an den verheerenden Erdrutsch im Oktober 2000, bei dem 13 Menschen ums Leben kamen. Wir starten Samstagmorgen in Gondo und müssen den Simplonpass und den Binistinenpass passieren.
Im Gedenken an die erste Austragung, als die Brücke über die Saltina vom Unwetter weggerissen wurde, wird der Wildbach rund 2 Kilometer vor dem Ziel durchquert. Eine angenehme Abkühlung für die müden Beine nach 40 gelaufenen Kilometern. Die letzten zwei Kilometer haben es noch einmal in sich. Ein knackiger Anstieg und schon haben wir den ersten Marathon in Brig bewältigt.
Der erste Tag war sehr warm und sonnig. Es war eine sehr anstrengende, aber auch mutmachende Freude hier zu laufen. Im Luftschutzbunker finden wir schnell ein Plätzchen für uns! Draußen in der Sonne trocknen derweil diverse Schuhe und Laufklamotten. Ein buntes Bild!!! - Am Sonntagmorgen starten wir dann in Brig über den legendären Stockalperweg hinauf zum Simplonpass, hinunter nach Gabi und den zweiten happigen Aufstieg aufs Furggu durchs Zwischenbergental zurück nach Gondo. Heute lässt das Wetter zu wünschen übrig.
Wir können auf den Höhen keine schöne Aussicht genießen. Das trübt ein wenig die Stimmung. Ich empfinde den heutigen Lauf als viel anstrengender und mühe mich echt. Als wir endlich ins Ziel einlaufen bin ich ganz überwältigt, diese Strapazen überwunden zu haben! Diese Anstrengung hat sich gelohnt. Alle Finisher werden namentlich geehrt und es gibt für jeden Läufer ein Laib Käse. Ausgesprochen lecker!!!
Das Trailrunnig hat es uns in besonderer Weise angetan. Beim Lauf auf unwegsamen Trails, durch Wald und Flur, über Stock und Stein, über Berge und durch Täler, über Klettersteige und durch Weinberge, fühlen wir uns in unserem Element. Besondere Highlights waren sicherlich der Petit-Ballon/Frankreich, der Pfalztrail, der Hubut und der Eco-Trail Paris mit dem Zieleinlauf oben auf dem Eifelturm! - Dazu der Hartfüßlertrail, der Maintal-Ultratrail und der Südthüringentrail.
Letztgenannter war für uns der 100. gemeinsame Marathon/Ultramarathon. Der Veranstalter ließ es sich nicht nehmen, hier eine besondere Ehrung vorzunehmen: „Laufen scheint bei euch der Garant für eine gute Beziehung zu sein!“ In Deutschland sind nur wenige Ehepaare in diesem Stil unterwegs. Selbstverständlich stecken auch schon der deutsche Kultlauf am Rennsteig mit seinen 73 km und der Röntgenlauf mit seinen 63,3 km und 100 km in unseren Beinen. Aber auch der Rothaarsteigmarathon in Schmallenberg steht auf unserer Liste weit oben. Früher sind wir auch gern den Biggesee-Marathon gelaufen. Leider gibt es diese Veranstaltung nicht mehr. Das ist sehr schade!
Inzwischen haben wir auch bereits zwei Mal den Mauerweglauf rund um Berlin (100 Meilen = 160,9 km) gefinisht. Die Strecke entspricht dem Verlauf der ehemaligen Berliner Mauer. Er erinnert an die Opfer der Mauer und wird immer am 13. August, dem 'Tag des Mauerbaus' durchgeführt.
Jährlich folgt ein Richtungswechsel. Absolviert man an zwei aufeinanderfolgenden Jahren diesen Lauf, erhält man eine zusätzliche Ehrung. Vorbild hierfür ist der Comrades-Marathon, der traditionsreichste und teilnehmerstärkste Ultramarathon weltweit. - Wieder Südafrika! Das Zeitlimit für diese Distanz liegt bei 30 Stunden. Wer es unter 24 Stunden schafft, erhält eine zusätzliche Gürtelschnalle. Wir sind glücklich bei beiden Teilnahmen unter 24 Stunden gefinisht zu haben und im zweiten Jahr die Back-to-Back Medaille erhalten zu haben. Dieses Lauferlebnis war für uns sehr erinnerungsträchtig und einprägsam. Haben wir doch als junge Leute die Macht des SED-Regimes und die Machenschaften der Stasi hautnah erleben müssen. Gut, dass diese Zeiten überwunden sind!
Zum Schluss noch ein Feedback zum Ultra beim Königsforst-Marathon 2021. Es ist eine schöne Strecke - in diesem Jahr mit toller Herbstkulisse. Das Laub leuchtete in der Sonne und die bunten Blätter auf den Wegen taten ihr Übriges. Einzig das Zeitlimit schreckte vielleichte einige Vielläufer ein wenig ab. Wir wissen sehr wohl, dass die Helfer vor Ort einen langen und harten Tag zu bewältigen haben, damit wir unserem Laufvergnügen nach-laufen können. Daher vielen Dank an das TVR-runningteam. Es ist schön für uns langsame Läufer eine Veranstaltung so finishen zu können. Schließlich legen wir großen Wert auf unseren Eintrag in der DUV-Statistik. Danke an das Team des Königsforst-Marathon für eure Flexibilität – und vielleicht gebt ihr den Ultras nächstes Jahr noch ein paar Minuten-Zeitfenster obendrauf ...
Marion und Jochen Konradt
TV REFRATH running team | www.tvr-running.de | 16.11.2021